Und nun, nach der Gala im Haus des Rundfunks, stehen die Sieger auch offiziell fest: Wie erwartet geht der begehrte Minotaurus für die beste Produktion der Kategorie "Emerging Media" an das überragende Projekt Gaza Sderot. Besondere Erwähnungen der Jury (inoffiziell die Ränge 2 und 3) gingen an mx3 und an Pascal's Diaries.
Samstag, 25. Oktober 2008
Freitag, 24. Oktober 2008
Höchste Zeit für das Web 2.1
Und damit sind sie vorüber, die Juryberatungen des diesjährigen Prix Europa. Die Medienwelt wartet auf die offizielle Bekanntgabe der Gewinner, und ich gratuliere ihnen bereits an dieser Stelle. Doch wer wirklich gewonnen hat, steht schon jetzt fest: die Idee - und das Web.
Die Idee, weil die besten drei Seiten des diesjährigen Wettbewerbs eines deutlich gezeigt haben: dass nicht Budget oder Technik über den Gehalt einer Website entscheiden, sondern allein das Konzept. Wenn es gut ist und sich knapp und klar vermitteln lässt, wenn die Website mit ihren gestalterischen und technischen Mitteln diesem Konzept folgt und auf alles, alles!, verzichtet, was nicht zwingend im Dienst der Ursprungsidee steht, dann hat sie das Zeug, wirklich gut zu werden. Drei Seiten machen dies klar: mx3, der Dokublog und Gaza Sderot.
Das Web, weil sich die in den vergangenen Jahren mit schon fast messianischem Eifer geführte Debatte über das Web 2.0 und den Wert von Publikumsbeiträgen beruhigt hat. Da ist wieder viel mehr von Publizistik, von journalistischer Kompetenz die Rede, von der Notwendigkeit, Publikumsbeiträge in Wort, Audio und Video sorgfältig zu betreuen und nur dann für journalistische Zwecke oder gar als Quellen einzusetzen, wenn sie journalistisch beurteilt und sorgfältig redigiert werden.
Die Hysterie um das Web 2.0 scheint, bei aller Wertschätzung einer dazugewonnenen Interaktivität, einer gesunden Abgeklärtheit zu weichen. Endlich. Es wird Zeit für das Web 2.1.
Die Idee, weil die besten drei Seiten des diesjährigen Wettbewerbs eines deutlich gezeigt haben: dass nicht Budget oder Technik über den Gehalt einer Website entscheiden, sondern allein das Konzept. Wenn es gut ist und sich knapp und klar vermitteln lässt, wenn die Website mit ihren gestalterischen und technischen Mitteln diesem Konzept folgt und auf alles, alles!, verzichtet, was nicht zwingend im Dienst der Ursprungsidee steht, dann hat sie das Zeug, wirklich gut zu werden. Drei Seiten machen dies klar: mx3, der Dokublog und Gaza Sderot.
Das Web, weil sich die in den vergangenen Jahren mit schon fast messianischem Eifer geführte Debatte über das Web 2.0 und den Wert von Publikumsbeiträgen beruhigt hat. Da ist wieder viel mehr von Publizistik, von journalistischer Kompetenz die Rede, von der Notwendigkeit, Publikumsbeiträge in Wort, Audio und Video sorgfältig zu betreuen und nur dann für journalistische Zwecke oder gar als Quellen einzusetzen, wenn sie journalistisch beurteilt und sorgfältig redigiert werden.
Die Hysterie um das Web 2.0 scheint, bei aller Wertschätzung einer dazugewonnenen Interaktivität, einer gesunden Abgeklärtheit zu weichen. Endlich. Es wird Zeit für das Web 2.1.
Warum Deutschland?
Warum Deutschland? ist, laut den Machern vom ZDF, die multimediale "Spurensuche" bei den insgesamt 17 Millionen Migranten der Bundesrepublik. Die vergleichsweise einfache Site - grosser Player, Steckbrief, Videogalerie - entstand als Online-Schwerpunkt im Rahmen einer Migrationswoche des ZDF im November 2007, und sie enthält Dutzende von Videozeugnissen zufällig ausgewählter Einwanderer mit deren Antworten auf die lapidare Frage: Warum Deutschland? Eine Site voller beredter, persönlicher, berührender Geschichten über Freiheit, Liebe, Arbeit und Wohlstand.
Fazit: Gelungene Websites brauchen nicht immer die Jahrhunderteingebung und die beste Technik des Universums. Manchmal reicht auch einfach die klare, einfache Idee. Vielleicht nicht für einen Prix Europa, aber doch für einen halbhoch gereckten Daumen.
Fazit: Gelungene Websites brauchen nicht immer die Jahrhunderteingebung und die beste Technik des Universums. Manchmal reicht auch einfach die klare, einfache Idee. Vielleicht nicht für einen Prix Europa, aber doch für einen halbhoch gereckten Daumen.
Desperately seeking for YOU
Die Kollegin vom irischen Jugendfernsehen stellt WE TV online vor. Die Folgen einer insgesamt acht Monate lang laufenden Jugendsendung, jede Menge Blödelei in Kinderzimmerästhetik, dazu eine geballte Ladung Videoblogs und Promiklatsch. Das volle Programm.
Fazit: Eine weitere Folge der Reihe "Fernsehen macht Jagd auf Handyvideos und Hörerbindung". Immerhin: Die Grafik ist leidlich originell.
Fazit: Eine weitere Folge der Reihe "Fernsehen macht Jagd auf Handyvideos und Hörerbindung". Immerhin: Die Grafik ist leidlich originell.
Eine ziemlich einfache Geschichte
Eine Lanze für das Geschichtenerzählen bricht der slowenische Kollege mit seinem (privaten) Projekt Very Simple Story. Die Site besteht aus Videos von Schauspielerinnen, die - in ihrer jeweils eigenen Sprache, per Webcam und damit in bester Youtube-Manier, eine Geschichte erzählen - eine berührende Geschichte, wie sie jeden Tag in den Randspalten der Tageszeitung auftauchen könnte: die Geschichte eines depressiven Flüchtlings aus Angola, der sich am Vorabend seiner geplanten Deportation im Auffangzentrum das Leben nimmt, um auf diese Weise seinem Sohn den Asylstatus zu ermöglichen.
Die Story ist nicht fiktiv: es ist die Geschichte von Manuel Bravo, wie sie kurz von der BBC vermeldet wurde. Der Versuch des slowenischen Kollegen allerdings, aus Bravo einen Helden (sic!) in unserer ach so unheldenhaften Welt zu machen, berührt in seinem Pathos peinlich.
Nein. Kein Daumen. Aus Respekt vor dem unbekannten Angolaner.
Die Story ist nicht fiktiv: es ist die Geschichte von Manuel Bravo, wie sie kurz von der BBC vermeldet wurde. Der Versuch des slowenischen Kollegen allerdings, aus Bravo einen Helden (sic!) in unserer ach so unheldenhaften Welt zu machen, berührt in seinem Pathos peinlich.
Nein. Kein Daumen. Aus Respekt vor dem unbekannten Angolaner.
Die Wahrheit über das schwedische Fernsehen
The truth about Marika ist ein "Participation Drama" der Kollegen vom schwedischen Fernsehen, eine TV-Serie, die vom Publikum aktiv mitgestaltet wurde - auf der eigens zu diesem Zweck erstellten, angeblich privaten und bewusst handgestrickten Site conspirare.se, in Foren, Communities, Chatrooms, Blogs.
Die Story: Jedes Jahr verschwinden Hunderte von Schwedinnen und Schweden spurlos, eine davon ist die junge Schwedin Marika. Wohin verschwinden sie? Werden sie entführt in eine unsichtbare Parallelwelt? Eine Geschichte im Dunkel von Geheimdiensten und dunklen Mächten? Mit Wissen höchster Regierungsstellen und gar des schwedischen Fernsehens?
Die Macher zielten auf eine stark multimediale Rückkopplung: Alle Figuren der TV-Serie waren für das Publikum erreichbar - per Telefon, E-Mail, Web. Die Publikumsresonanz war enorm, was den Machern Stoff für Live-Events, für Reportagen und Diskussionsrunden lieferte. Zusätzliche Websites (eine angebliche Sicherheitsfirma, eine angebliche Geheimgesellschaft etc.) mit aufwändigen Rätseln und Suchspielen (missions) verrätselten die verwinkelte Story zusätzlich und befeuerten die Boulevardfernsehmaschinerie immer weiter. Die letzte TV-Folge schliesslich bestand ganz aus dramatisierten Beiträgen des Publikums.
Fazit: ein landesweites, schizophrenes Vexierspiel nach dem Muster einschlägiger Groschenromane. Alles in allem seichte Unterhaltung, wenngleich auf höchstem Niveau.
Die Story: Jedes Jahr verschwinden Hunderte von Schwedinnen und Schweden spurlos, eine davon ist die junge Schwedin Marika. Wohin verschwinden sie? Werden sie entführt in eine unsichtbare Parallelwelt? Eine Geschichte im Dunkel von Geheimdiensten und dunklen Mächten? Mit Wissen höchster Regierungsstellen und gar des schwedischen Fernsehens?
Die Macher zielten auf eine stark multimediale Rückkopplung: Alle Figuren der TV-Serie waren für das Publikum erreichbar - per Telefon, E-Mail, Web. Die Publikumsresonanz war enorm, was den Machern Stoff für Live-Events, für Reportagen und Diskussionsrunden lieferte. Zusätzliche Websites (eine angebliche Sicherheitsfirma, eine angebliche Geheimgesellschaft etc.) mit aufwändigen Rätseln und Suchspielen (missions) verrätselten die verwinkelte Story zusätzlich und befeuerten die Boulevardfernsehmaschinerie immer weiter. Die letzte TV-Folge schliesslich bestand ganz aus dramatisierten Beiträgen des Publikums.
Fazit: ein landesweites, schizophrenes Vexierspiel nach dem Muster einschlägiger Groschenromane. Alles in allem seichte Unterhaltung, wenngleich auf höchstem Niveau.
Web 1.0. Vor allem Punkt null.
Das Polnische Radio Sczecin stellt die neue Website seines Stadtradios vor: Sendungen und Podcasts; Nachrichten, Sport, viele, viele bunte Bildchen.
Fazit: Eine Website, tatsächlich.
Fazit: Eine Website, tatsächlich.
Im Schatten der Gewalt
Arte stellt das brandneue Projekt Gaza Sderot ("a daily cross-platform documentary project") vor - brandneu, fürwahr: Die Site ist noch keine 24 Stunden online. Auf Gaza Sderot sollen während der nächsten 60 Tage die im selben Zeitraum auf Arte täglich ausgestrahlten Dokumentarfilmfolgen über das Leben im palästinensischen Gaza und im drei Kilometer entfernten, israelischen Sderot veröffentlicht werden.
Mit einer täglichen Ausstrahlung während 60 Tagen versuchen die Filmer, das Leben der Menschen zweier Städte zu dokumentieren, die zwar immer wieder in den Schlagzeilen auftauchen, die aber niemand kennt. Die Filme stellen den Alltag von je sechs in Gaza und Sderot lebenden Menschen dar; auf Arte werden ab Montag, 27. Oktober 2008, täglich je ein Porträt ausgestrahlt. Die Filme sind auch zeitlich höchst authentisch - sie werden dabei am Vorabend oder am Morgen des jeweiligen Sendetages gedreht, unmittelbar danach geschnitten, untertitelt und gesendet.
Die Website besticht durch die Umsetzung dieses Konzepts: Die Filme werden in einem Flash-Player abgespielt, der nicht einen, sondern vielmehr zwei Filme aufnimmt - je einen aus Gaza und Sderot. Diese simultane Abspielmöglichkeit soll Gleichzeitigkeit und Trennung, Zwangsnachbarschaft und Unmöglichkeit des Dialogs visualisieren. Die fünfsprachige Plattform (israelisch, arabisch, deutsch, französisch, englisch, einschliesslich der Untertitelung der Filme!) wird ergänzt durch Satellitenkarten, auf denen die jeweiligen Örtlichkeiten dargestellt werden.
Fazit: In Konzept, Funktionalität und Umsetzung ist die durchgängig in Flash gehaltene Site grosse Klasse. In ihrer Direktheit und Kompromisslosigkeit ist sie ebenso faszinierend wie beklemmend. Herausragend.
Mit einer täglichen Ausstrahlung während 60 Tagen versuchen die Filmer, das Leben der Menschen zweier Städte zu dokumentieren, die zwar immer wieder in den Schlagzeilen auftauchen, die aber niemand kennt. Die Filme stellen den Alltag von je sechs in Gaza und Sderot lebenden Menschen dar; auf Arte werden ab Montag, 27. Oktober 2008, täglich je ein Porträt ausgestrahlt. Die Filme sind auch zeitlich höchst authentisch - sie werden dabei am Vorabend oder am Morgen des jeweiligen Sendetages gedreht, unmittelbar danach geschnitten, untertitelt und gesendet.
Die Website besticht durch die Umsetzung dieses Konzepts: Die Filme werden in einem Flash-Player abgespielt, der nicht einen, sondern vielmehr zwei Filme aufnimmt - je einen aus Gaza und Sderot. Diese simultane Abspielmöglichkeit soll Gleichzeitigkeit und Trennung, Zwangsnachbarschaft und Unmöglichkeit des Dialogs visualisieren. Die fünfsprachige Plattform (israelisch, arabisch, deutsch, französisch, englisch, einschliesslich der Untertitelung der Filme!) wird ergänzt durch Satellitenkarten, auf denen die jeweiligen Örtlichkeiten dargestellt werden.
Fazit: In Konzept, Funktionalität und Umsetzung ist die durchgängig in Flash gehaltene Site grosse Klasse. In ihrer Direktheit und Kompromisslosigkeit ist sie ebenso faszinierend wie beklemmend. Herausragend.
Tom Waits, blogging
Ein beengter, lauter Abend am Senefelderplatz: in den Due Forni, der nach eigenem Bekunden sozialistischen Pizzeria Berlins. In der Tat: Die Bedienung ist ebenso unfreundlich, wie die Pizza gut ist. Unterhaltung ist praktisch unmöglich, Schreien Voraussetzung selbst des Versuchs. Ich blogge heiser.
Donnerstag, 23. Oktober 2008
Zielübungen für ABC-Schützen
Der Circus Kiosk ist ein Projekt der Kolleginnen vom schwedischen Radio-Schulfunk. Die kindergerecht im Bilderbuchstil gehaltene Website der Fernseh-Kindersendung (Zielpublikum: Kinder zwischen zwei und fünf Jahren) bietet, neben den Fernsehfolgen, eine ganze Reihe didaktischer Spielchen an, deren Inhalte sich zwischen ABC, Wortverständnis, Kinderliedern und Einmaleins bewegen. Für die Konzeption der Site wurden, neben einer professionellen Kinderbuchgrafikerin, auch Kindergärtnerinnen und Lehrer herangezogen.
Fazit: Nette, aber nicht unproblematische Gratwanderung zwischen Unterhaltung und didaktischem Anspruch.
Fazit: Nette, aber nicht unproblematische Gratwanderung zwischen Unterhaltung und didaktischem Anspruch.
Gay oder Gangster?
Der Kollege von DR, Dänemark, stellt Yallahrup vor, die Site einer 24teiligen Trickfilm-Satireserie zum Thema Ausländerintegration. Vorbilder waren etwa South Park oder die Simpsons. Die satirische Serie war, trotz der netten Figürchen, ausgesprochen freizügig und wurde entsprechend kontrovers aufgenommen; die ebenso freizügigen Dialoge erregten zusätzlich Anstoss. (Das englische f word heisst im übrigen auch im Dänischen so.)
Zielpublikum von Serie und Site sind Erwachsene. Die Website dient in erster Linie als Abspielplattform für die Folgen (inkl. Downloadmöglichkeit für Handys); und doch enthält sie eine ganze Reihe origineller Seiteninhalte: einen wortbasierten Fluchgenerator, ein Streetfighter-Game, ein Gay-/Gangster-Quiz, Soundtracks, Handyklingeltöne, Links zu den Myspace-Auftritten der Comicfiguren(!). (Anmerkung am Rande - online first: Die 10 Minuten kurzen Folgen wurden jeweils 24 Stunden vor der TV-Ausstrahlung im Web publiziert.)
Fazit: Mächtige Site in einem Zusammenhang mit einer zweifellos gelungenen, provokativen Trickfilm-Satireserie. Nett.
Zielpublikum von Serie und Site sind Erwachsene. Die Website dient in erster Linie als Abspielplattform für die Folgen (inkl. Downloadmöglichkeit für Handys); und doch enthält sie eine ganze Reihe origineller Seiteninhalte: einen wortbasierten Fluchgenerator, ein Streetfighter-Game, ein Gay-/Gangster-Quiz, Soundtracks, Handyklingeltöne, Links zu den Myspace-Auftritten der Comicfiguren(!). (Anmerkung am Rande - online first: Die 10 Minuten kurzen Folgen wurden jeweils 24 Stunden vor der TV-Ausstrahlung im Web publiziert.)
Fazit: Mächtige Site in einem Zusammenhang mit einer zweifellos gelungenen, provokativen Trickfilm-Satireserie. Nett.
Jeder sein eigener Kriminalinspektor
KDD ( "Kriminaldauerdienst") ist die Site der gleichnamigen, erfolgreichen ZDF-Krimiserie - nach dem grossen Erfolg einer ersten Staffel war den Machern klar, dass sie im Web nachdoppeln mussten. Entstanden ist eine Website, die nicht nur Trailers und Fanartikel verbreiten, sondern die Geschichte als solche ins Web transportieren will. Weil die Produktion der geplanten zweiten Staffel erfahrungsgemäss sehr lange dauert, will das Team mit KDD im Web die Zeit überbrücken und mit dem Auftritt den Markennamen im Gespräch halten. Geplant war allerdings nicht eine Fortsetzung im Web, sondern vielmehr ein von der Serie unabhängiger, interaktiver Kriminalfall - mit vielen state-of-the-art-Filmsequenzen. Alle sieben Hauptdarsteller der Krimiserie waren an der Produktion der Site beteiligt; die Audiosequenzen stammen von den Schauspielern selbst.
KDD ist denn auch weniger Website als vielmehr Computerspiel. Das enorm aufwändige Flash-Interface entspricht modernen fotorealistischen Adventure-Games. Fazit: eine beeindruckende Mischung aus Film, Point-and-click und Adventure. Webtechnisch bahnbrechend. Nur - so what? Service public?
KDD ist denn auch weniger Website als vielmehr Computerspiel. Das enorm aufwändige Flash-Interface entspricht modernen fotorealistischen Adventure-Games. Fazit: eine beeindruckende Mischung aus Film, Point-and-click und Adventure. Webtechnisch bahnbrechend. Nur - so what? Service public?
Die Welt der Tiere, ins Netz geholt
Ein weiterer Streich der BBC, Abteilung Naturwissenschaft: World on the Move ist die Site über die erstaunlichen Wanderungen von Walen, Vögeln, Schildkröten, Fischen, Insekten. World on the move besteht zum einen aus BBC-Filmen und Sendungen über die entsprechenden Tierarten mit begleitenden populärwissenschaftlichen Texten, und zum anderen aus im Jahresverlauf auf BBC 4 gesendeten Live-Reportagen über die Wanderungen einzelner Tiere. Die Site entsteht in Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe externer Partner aus Forschung und Wissenschaft ("embedded scientists"), aber auch interessierter Amateurbeobachter. Stimmig: Da die Site insgesamt sehr viel mit Geografie zu tun hat, lassen sich auch alle Beiträge des Publikums via Google Maps lokalisieren. Auf diese Weise erhalten Threads (etwa über die Wanderung eines einzelnen Tiers) auch ein geografisches Gesicht.
Bemerkenswert ist das attraktive On-demand-Format der Radiosendungen im Web: Audio in Form von Videostreams, unterlegt mit Fotos (Tieraufnahmen, aber auch Aufnahmen der Radioreporter), mit Filmausschnitten bis hin zu Handyvideos. Spannend sind auch die surroundings der Site: Da werden zum Beispiel, unter dem Label "World Class", Schulen miteinander verbunden, die auf der Route solcher Migrationen liegen, quer über Kontinente und Kulturen hinweg.
Das Ziel der Site ist laut den Machern nicht nur das Abbilden von BBC-Produktionen im Netz, sondern ebenso die Möglichkeit, Radio BBC 4 im Bereich Natur um passende, stimmige Optik und um sinnvolle Interaktivität mit einem Publikum in aller Welt zu erweitern. Fazit: Klar fokussiert, vergleichsweise unprätentiös in der Erscheinung, doch technisch gelungen umgesetzt. Service public à la BBC eben. Eindrucksvoll.
Bemerkenswert ist das attraktive On-demand-Format der Radiosendungen im Web: Audio in Form von Videostreams, unterlegt mit Fotos (Tieraufnahmen, aber auch Aufnahmen der Radioreporter), mit Filmausschnitten bis hin zu Handyvideos. Spannend sind auch die surroundings der Site: Da werden zum Beispiel, unter dem Label "World Class", Schulen miteinander verbunden, die auf der Route solcher Migrationen liegen, quer über Kontinente und Kulturen hinweg.
Das Ziel der Site ist laut den Machern nicht nur das Abbilden von BBC-Produktionen im Netz, sondern ebenso die Möglichkeit, Radio BBC 4 im Bereich Natur um passende, stimmige Optik und um sinnvolle Interaktivität mit einem Publikum in aller Welt zu erweitern. Fazit: Klar fokussiert, vergleichsweise unprätentiös in der Erscheinung, doch technisch gelungen umgesetzt. Service public à la BBC eben. Eindrucksvoll.
Pascals Tagebücher: Eintauchen in die Geschichte
Die Kollegin vom katalanischen Fernsehen präsentiert Pascals Diaries, eine Site zur gleichnamigen achtteiligen Fernsehserie über die Zeit der Zweiten Katalanischen Republik bis zum spanischen Bürgerkrieg (1929-1936). Die Hauptfigur, ein französischer Fotograf namens Pascal, ist fiktiv (einschliesslich eines fiktiven Blogs); alle anderen auftretenden Personen sind Zeitzeugen - Politiker, Journalisten, Historiker, Autoren. Ziel der Site ist die Publikation der acht Teile der historischen Fernsehserie sowie umfangreichen weiteren Materials (historische Fotos, Dokumente etc.). Dass auch diese Site alles andere als frei von Nationalismen ist, versteht sich angesichts der Thematik von selbst. Spannend und ausgesprochen gelungen ist dagegen die webgerechte Darstellung historischer Quellen (Bildmaterial, Zeitungsartikel, Plakate, Interviews), die gewählten Formen der Interaktivität (Blogs, Quizzes) und die Optimierung der Site für unterschiedlichste Plattformen (Web, Media Center, Handy).
Fazit: stark crossmediale, thematisch klar fokussierte, technisch ausgesprochen gelungene Geschichtsdarstellung am Fernsehen und im Web. Daumen hoch. Sehr hoch.
Fazit: stark crossmediale, thematisch klar fokussierte, technisch ausgesprochen gelungene Geschichtsdarstellung am Fernsehen und im Web. Daumen hoch. Sehr hoch.
Suche nach einem verrosteten Panzer
Aus Tschechien kommt das opulente Flash-Projekt Tank, nach Aussagen der Macher die bisher grösste Web-Produktion des tschechischen Radios. Es handelt sich um eine opulente Schau der Geschichte des Landes im Zweiten Weltkrieg - mit viel Video, Schlachtenlärm, dem Look & Feel und dem martialischen Sound eines Kriegsspiels wie World of Warcraft. Kernstück der Site ist ein Spiel: die virtuelle Suche nach einem Panzer (!) auf dem Grund der Elbe, wo er angeblich bei Kriegsende von Deutschen versenkt worden war. Das Spiel selbst besteht aus Experten- und Zeugenaussagen, aus historischen Bildern und Dokumenten, Buchauszügen und Links. Die umgebende Website dient vor allem der Forumsdiskussion der User über alle möglichen geschichtlichen Aspekte.
Trotz der vielen im Spiel auftretenden (Alibi-)Experten: Eine differenzierte Geschichtsbetrachtung ist die Sache des Projekts nicht. Die Seite strotzt nur so vor Pulverdampf und Glorifizierung. Dass sie ausserdem gut in die Landschaft des tschechischen Nationalismus passt, ist mit Sicherheit nicht unbeabsichtigt. Fazit: Aufwändig, aber höchst fragwürdig. Was diese Panzersuche mit service public oder mit Radio zu tun hat, bleibt im Dunkeln.
PS: Dass Firefox mit der Flashpracht nur schlecht zurechtkommt, ist auch keine Empfehlung. "Optimiert für MSIE" gehört in den Abfalleimer der Webgeschichte. Die Site ebenso.
Trotz der vielen im Spiel auftretenden (Alibi-)Experten: Eine differenzierte Geschichtsbetrachtung ist die Sache des Projekts nicht. Die Seite strotzt nur so vor Pulverdampf und Glorifizierung. Dass sie ausserdem gut in die Landschaft des tschechischen Nationalismus passt, ist mit Sicherheit nicht unbeabsichtigt. Fazit: Aufwändig, aber höchst fragwürdig. Was diese Panzersuche mit service public oder mit Radio zu tun hat, bleibt im Dunkeln.
PS: Dass Firefox mit der Flashpracht nur schlecht zurechtkommt, ist auch keine Empfehlung. "Optimiert für MSIE" gehört in den Abfalleimer der Webgeschichte. Die Site ebenso.
Mittwoch, 22. Oktober 2008
Ein Atlas für die Literatur
Der Nordic writers' atlas des dänischen Radios DR ist eine Kooperation der öffentlichen Rundfunkhäuser Dänemarks, Norwegens, Schwedens, Finnlands und Islands. Das Ziel war laut den Macherinnen die Schaffung einer Webplattform für nordische Literatur und Autoren - und die Verführung des Publikums zum Lesen.
Die bisher rund 130 nordischen Autorinnen und Autoren werden auf einer zeitlich gegliederten "Landkarte" dargestellt (die Verbindungslinien markieren dabei literarische Einflüsse), mit Kurzbiografien und Literaturlisten (einschliesslich Ratingfunktion) und, natürlich, mit Audio- und Videoclips aus den Archiven der beteiligten Radio- und Fernsehstationen.
Fazit: Ein Archiv-Interface der Sonderklasse, das allerdings eher zu medialen Entdeckungsreisen verführt, als dass es zum Lesen einlüde. Denn ausgerechnet das, was man dazu bräuchte, fehlt vollständig: Texte.
Die bisher rund 130 nordischen Autorinnen und Autoren werden auf einer zeitlich gegliederten "Landkarte" dargestellt (die Verbindungslinien markieren dabei literarische Einflüsse), mit Kurzbiografien und Literaturlisten (einschliesslich Ratingfunktion) und, natürlich, mit Audio- und Videoclips aus den Archiven der beteiligten Radio- und Fernsehstationen.
Fazit: Ein Archiv-Interface der Sonderklasse, das allerdings eher zu medialen Entdeckungsreisen verführt, als dass es zum Lesen einlüde. Denn ausgerechnet das, was man dazu bräuchte, fehlt vollständig: Texte.
Let it roll: mx3
Bühne frei für Dominik Born (mx3, DRS 3) und Samuel Vuillermoz (mx3, Couleur 3) und das unbestritten schnellste Pferd im Stall der SRG: mx3.ch. Eine Beschreibung erübrigt sich. Nur dies: mx3 ist einer der Favoriten dieses Wettbewerbs. Und ich blogge ab sofort im Achtfingersystem. Wll mt gdrücktn Daumm.
(Wie immer vollkommen unvoreingenommene Bemerkung am Rande: Sie machen es gut, die Jungs!)
(Wie immer vollkommen unvoreingenommene Bemerkung am Rande: Sie machen es gut, die Jungs!)
Radiofeature, Version 2.0
SWR 2 präsentiert seinen dem Feature gewidmeten Dokublog mit seinem sinnigen Maskottchen, dem Tonjäger O-Tony. Der Dokublog wurde zusammen mit einer Kunsthochschule entwickelt und versteht sich als Tonarchiv und als virtuelle Geschichtenplattform: Profis und Amateure erzählen Geschichten mithilfe von zu Features gestalteten O-Tönen. Der Clou: Nicht nur die fertigen Features werden hochgeladen, sondern auch sämtliche verwendeten O-Töne. Letztere stehen anschliessend allen Dokublog-Featureproduzenten zur Verfügung. Per Mausklick lässt sich so ein einziger O-Ton durch alle Features hindurch verfolgen, in denen er verwendet wurde. Last but not least: Von der SWR-2-Featureredaktion ausgewählte Geschichten werden zweimal wöchentlich in der Sendung "Mehrspur" auf SWR 2 ausgestrahlt und, unter Beizug von Feature-Experten, diskutiert.
Einmal mehr: das vermaledeite Copyright. SWR 2 beschäftigt eigens Studenten, deren Aufgabe es ist, alle hochgeladenen Files auf allfällige Urheberrechtsverletzungen hin zu überprüfen. Auch die Nutzerzahl bleibt, verglichen mit dem Web-Mainstream, sehr bescheiden. Dennoch mein Fazit: So könnte das Radiofeature des Zukunft aussehen - Dokublog ist originell, technisch ausgereift, hervorragend gestaltet. Echt beeindruckend.
Einmal mehr: das vermaledeite Copyright. SWR 2 beschäftigt eigens Studenten, deren Aufgabe es ist, alle hochgeladenen Files auf allfällige Urheberrechtsverletzungen hin zu überprüfen. Auch die Nutzerzahl bleibt, verglichen mit dem Web-Mainstream, sehr bescheiden. Dennoch mein Fazit: So könnte das Radiofeature des Zukunft aussehen - Dokublog ist originell, technisch ausgereift, hervorragend gestaltet. Echt beeindruckend.
Website, made in Finland
YLE, das finnische Radio und Fernsehen, präsentiert Areena, die Website der finnischen News- und Hintergrundformate in Radio und Fernsehen. Hier finden sich über 3000 Stunden Video- und Audioclips, einschliesslich der Programminformationen und Services (RSS, Podcasting). Newsformate dominieren; Kunstformen wie Hörspiel und Feature fehlen allerdings ebenso wie jegliche Interaktivität. In Areena werden alle auf UKW nur lokal empfangbaren Regionalprogramme zusammengeführt; integriert ist auch die Suche im (in Finnland offen und kostenlos zugänglichen) Radio- und Fernseharchiv. Jüngste Kinder sind eine Handy- und eine Digitalfernsehversion der Site. Geplant: die Ablösung des heutigen Windows-Media-Formats durch mp3 sowie ein moderner Flash-Player.
Eindruck: Funktional, aber bestenfalls schlicht. Eine Radio- und Fernseh-Website in der Version 1.0 halt.
Eindruck: Funktional, aber bestenfalls schlicht. Eine Radio- und Fernseh-Website in der Version 1.0 halt.
Klassik auf katalonisch
Catalunya classica ist ein Projekt von Radio Catalunya música, das DRS 2 Kataloniens. Cat.classica ist ein online-only channel für klassische Musik, die entweder von Katalonen komponiert oder aber interpretiert wurde. Die Site besteht zum einen aus einem Online-Player mit KlassikStream und Bildergalerie und Links, daneben aus einer Mini-Site mit Programmübersicht von Catalunya música, Podcasts, RSS-Feeds und einem Konzertkalender. Die Flash-Banner auf der rechten Seite werden zur Eigenwerbung genutzt.
Cat.classica verfügt nach eigenen Angaben über alle erforderlichen Rechte, kommerzielle Tonträger zu streamen und teils gar als Download anzubieten; Verträge mit wichtigen Orchestern der Region sichern dem Projekt angeblich alle Rechte an Konzertaufnahmen zu. Auch wenn mir die Rechtesituation von Cat.classica reichlich wacklig zu sein scheint - die Gretchenfrage bleibt: Was ist eigentlich katalanisch an einem Beethoven-Streichquartett, das zufällig von Barcelonesen gespielt wird?
Cat.classica verfügt nach eigenen Angaben über alle erforderlichen Rechte, kommerzielle Tonträger zu streamen und teils gar als Download anzubieten; Verträge mit wichtigen Orchestern der Region sichern dem Projekt angeblich alle Rechte an Konzertaufnahmen zu. Auch wenn mir die Rechtesituation von Cat.classica reichlich wacklig zu sein scheint - die Gretchenfrage bleibt: Was ist eigentlich katalanisch an einem Beethoven-Streichquartett, das zufällig von Barcelonesen gespielt wird?
Mission impossible
Einen Sprachkurs der etwas anderen, multimedialen Art stellen die Kollegen von der Deutschen Welle mit Missioneurope.eu vor. Anstelle trockener Sprachübungen stehen veritable Krimigeschichten in Form englisch-deutscher, englisch-französischer und englisch-polnischer Hörspiele, Games, Übungen, Lückentexte und Glossare ("Ja - oui", "Nein - non", "guten Tag - bonjour") bereit; Kooperationspartner waren Polski Radio und Radio France Internationale. Anvisiert werden junge, sprachlich interessierte Menschen zwischen 14-25; Sprache und Formensprache ("Mission Berlin", "Misja Kraków", "Mission Paris") entstammen Krimi und Comic. Beispiel: "Anna's mission is to save Germany from a disaster" (mp3). Zusätze wie Screensavers, Trailers und Handyklingeltöne runden das Angebot ab. Fazit: Aufwändig, verspielt, aber dürftig.
Schatten der Vergangenheit
Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten nicht nur voraus, sondern auch hinterher. So wie die Euro 08, deren (insgesamt neunsprachigen) Webauftritt Swissinfo hier präsentiert. Als Informationsplattform für Auslandschweizerinnen und -schweizer war für Swissinfo von Beginn weg klar, dass das Ereignis Euro 08 einen Top-Schwerpunkt der Site abgeben würde. Die Site im neuen, wohltuend nüchternen Look von Swissinfo kostete - notabene ohne Personalkosten! - rund 150 000 Franken und verzeichnete (vor und während der Euro) insgesamt rund 520 000 Visits. Sie ist schnell (dank Akamai) und mit sämtlichen modernen Features ausgerüstet (Bildergalerien, Video-Einbettung, Interaktivität auf allen Ebenen, und - nett - Side Stories in Form von Post-its). Die Site erweist sich als beeindruckend ausgebautes Multimediaangebot in einer klaren, nüchtern-funktionalen Formensprache. Auffallend gut ist die Qualität der Bilder - was Wunder: Bei näherem Besehen erweisen sie sich als Agenturmaterial. By courtesy of keystone, sozusagen.
Das Web ist überall
Hab' ich da nicht geschrieben, das Web sei überall? In der Tat: Da drücke ich den Knopf der Hotelkaffeemaschine, und als langsam der ersehnte Kaffee in die Tasse zu tröpfeln beginnt, erspäht mein noch schlafverquollener Blick auf dem Display des Geräts doch tatsächlich einen Fortschrittsbalken. Wie lange noch, bis wir die Zeit bis zur Rente oder die Dauer einer Schwangerschaft in Prozenten ausdrücken?
PS: Der Prix Europa steht bei rund 29 Prozent. Meine Konzentration erst bei deren 61. Noch einen Kaffee, bitte.
PS: Der Prix Europa steht bei rund 29 Prozent. Meine Konzentration erst bei deren 61. Noch einen Kaffee, bitte.
Dienstag, 21. Oktober 2008
Die ganze Pracht von Flash
Daniel Karlsson von Streamtheworld.com bricht eine Lanze für das Gegenteil von P2P, die Content Delivery Networks (CDN). Paradepferde im Stall von Streamtheworld sind etwa der interaktive Rock-Flashplayer Sonett77.com oder das Projekt Play.it von CBS. Alle Flash-Pracht kann indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich CDN schlecht bzw. gar nicht skalieren lassen und in Aufbau und Betrieb ausgesprochen teuer sind. P2P-Technologie erfordert zwar immer die Installation von Client-Software (Applikation oder Plugin), ist dafür aber wesentlich kostengünstiger. Und: P2P-Netzwerke wachsen mit der Anzahl ihrer Nutzer mit, ohne dass sich die Bandbreitenkosten erhöhen.
Immerhin: Auch Karlsson bestätigt, dass Flash die Streaming-Technologie schlechthin geworden ist.
Immerhin: Auch Karlsson bestätigt, dass Flash die Streaming-Technologie schlechthin geworden ist.
Grosse Websites II
Silvia Costeloe von BBC Blast art showcase zeigt Beispiele der Einbettung von Video-Inhalten in News-Storys, wie sie mittlerweile auf allen News-Seiten üblich ist, sowie Editors' Blogs, die sich zwar im alles andere als unproblematischen Spannungsfeld zwischen persönlicher Meinung der Korrespondenten und den redaktionellen Richtlinien der BBC bewegen, die aber laut Costeloe immer wieder zu Recherchen führen, deren Themen von Blog-Usern an die Korrespondenten herangetragen werden.
Seitenthema: Dass die BBC die grossen Web-2.0-Sites trotz abertausendfacher Verstösse gegen die Urheberrechte rege nutzen lässt, ist bekannt. Dass sie aber auch um eine aktive Rolle auf diesen neuen Plattformen ringt, zeigt zum Beispiel ihr eigentümlich halbherziger Auftritt in Facebook.
Seitenthema: Dass die BBC die grossen Web-2.0-Sites trotz abertausendfacher Verstösse gegen die Urheberrechte rege nutzen lässt, ist bekannt. Dass sie aber auch um eine aktive Rolle auf diesen neuen Plattformen ringt, zeigt zum Beispiel ihr eigentümlich halbherziger Auftritt in Facebook.
Grosse Websites
Peter Harvey von BBC Science & nature lässt mit zwei BBC-Sites den Anwesenden der Mund wässrig werden: Da ist zum Beispiel BBC horizon (die Seite des gleichnamigen BBC-Wissenschafts- und Doku-Fernsehformats) mit seinen eigens fürs Web erstellten 3-Minuten-Dokus (die danach ungeachtet aller Urheberrechte von Zuschauern unverzüglich auf Youtube hochgeladen werden, wo sie jeden Bezug zur BBC verlieren und zu anonymen Clips werden). Oder: Da ist die Website von Doctor Who, einer populären BBC-Serie, deren Episoden ebenfalls in Form von 3-Minuten-Clips im Web veröffentlicht werden. Gadgets: der TrailerMaker, eine Flash-Applikation, die es Usern ermöglicht, eigene Clips zu erstellen und zu veröffentlichen, oder der sinngemäss funktionierende ComicMaker.
Dagegen: Sites wie MovieStorm, mithilfe dessen sich - ohne Kamera, sondern mittels kostenloser Software und Creative-Commons-Grafiken - eigene Trickfilmepisoden erstellen und hochladen lassen, oder auch der National Novel Writing Month waren explizit keine BBC-Projekte: Hier hört nach dem Verständnis der BBC die Rolle des öffentlichen Rundfunks auf.
Dagegen: Sites wie MovieStorm, mithilfe dessen sich - ohne Kamera, sondern mittels kostenloser Software und Creative-Commons-Grafiken - eigene Trickfilmepisoden erstellen und hochladen lassen, oder auch der National Novel Writing Month waren explizit keine BBC-Projekte: Hier hört nach dem Verständnis der BBC die Rolle des öffentlichen Rundfunks auf.
Elektrischer Strom
"Emerging media", Fortsetzung: Zwar gibt's am Web-Wettbewerb des Prix Europa ein funktionierendes WLAN, aber mit elektrischem Strom ist das schon schwieriger. Ich zähle sechs Steckdosen. Und vierzig Jurymitglieder. Also verzichte ich auf eine Differenzrechnung, denke kurz an Charles Darwin und greife mir den letzten Anschluss.
Haute cuisine
Dass die digital natives angeblich kulinarische Banausen sind, die sich vornehmlich von Pizza und Hamburgern ernähren, ist ein bösartiges Gerücht der digital immigrants und der digital aliens. Ein Hoch auf die Freuden der einheimischen Küche!
Ode an das Streaming
Frank Kozamernik (EBU Technical) referiert über Content Delivery Networks (CDN): grosse, teure Streaming-Netzwerke, die Flash-Streams (Audio, Video) in grossem Umfang bereitstellen. Ihr natürlicher Feind sind die Peer-to-Peer-Netzwerke, die wesentlich leistungsfähiger und günstiger sind, ohne kostspielige Servernetzwerke auskommen, dafür aber die clientseitige Installation von Plugins benötigen. Die EBU zählt zu den grossen Promotoren der P2P-Technologie. Im Jahr 2006 hat die EBU zum ersten Mal den Eurovision Song Contest per P2P übertragen. Prominentestes P2P-Beispiel ist der (leider erst in Grossbritannien verfügbare) BBC-iPlayer, den die EBU nach Kräften fördern will. Laut Kozamernik ist P2P-Distribution heute mit Abstand die meistgenutzte Streamingtechnologie. Technologisches Nadelöhr ist zur Zeit die starke Asymmetrie zwischen Down- und Upload bei herkömmlichen DSL-Verbindungen.
Kozamernik mach keinen Hehl aus einer grossen Schwachstelle der P2P-Technologie: ihr Ruf. Grund: Alle frühen P2P-Vorreiter (prominentestes Beispiel: Napster) sind an der geltenden Rechtesituation (bzw. an der Rechteverletzung durch die User) gescheitert. P2P soll daher ausschliesslich für die Distribution von Inhalten genutzt werden, deren rechtliche Situation völlig geklärt ist. Nur so lässt sich der Ruf von P2P als kostengünstige, leistungsfähige Verbreitungstechnologie wiederherstellen.
Kozamernik mach keinen Hehl aus einer grossen Schwachstelle der P2P-Technologie: ihr Ruf. Grund: Alle frühen P2P-Vorreiter (prominentestes Beispiel: Napster) sind an der geltenden Rechtesituation (bzw. an der Rechteverletzung durch die User) gescheitert. P2P soll daher ausschliesslich für die Distribution von Inhalten genutzt werden, deren rechtliche Situation völlig geklärt ist. Nur so lässt sich der Ruf von P2P als kostengünstige, leistungsfähige Verbreitungstechnologie wiederherstellen.
Montag, 20. Oktober 2008
Grosse Geschichte
Alles an diesem Haus des Rundfunks atmet Geschichte: die Ziegelsteinmauern aus dem Jahr 1929, ihre Ehrfurcht gebietende Architektur, das Wissen um die zeit- und mediengeschichtliche Bedeutung: Hier ging Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels ein und aus, von hier sendete das Radio des freien Westens schlechthin, der Sender Freies Berlin. Nichts vermag diese Historizität besser zu veranschaulichen als der Pater-Noster-Aufzug (Bild). Und niemand hat ihm und dem Radio ein schöneres Denkmal errichtet als Heinrich Böll in seiner Satire "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen".
Bei soviel Geschichtsträchtigkeit ist auch nicht verwunderlich, dass mit Notebooks bewehrte Kollegen mit Argwohn betrachtet und die wenigen öffentlichen Web-Terminals in einen Korridor im zweiten Stock verbannt werden. "Emerging Media", fürwahr: In diesem Haus zählt das Internet noch nicht so richtig zur Mediengegenwart.
P.S. in Sachen existentialistischer Turnübung des Doktor Murke - im Inneren der Pater-Noster-Kabinen steht zu lesen: "Keine Gefahr! Die Weiterfahrt durch Keller und Dachboden ist völlig ungefährlich!"
Bei soviel Geschichtsträchtigkeit ist auch nicht verwunderlich, dass mit Notebooks bewehrte Kollegen mit Argwohn betrachtet und die wenigen öffentlichen Web-Terminals in einen Korridor im zweiten Stock verbannt werden. "Emerging Media", fürwahr: In diesem Haus zählt das Internet noch nicht so richtig zur Mediengegenwart.
P.S. in Sachen existentialistischer Turnübung des Doktor Murke - im Inneren der Pater-Noster-Kabinen steht zu lesen: "Keine Gefahr! Die Weiterfahrt durch Keller und Dachboden ist völlig ungefährlich!"
Grosse Ereignisse
Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Jedenfalls an die Fassade: Eines der prominentesten Medienhäuser Europas, das Haus des Rundfunks in Berlin - einst Sitz des stolzen Senders Freies Berlin -, ist Austragungsort des diesjährigen Prix Europa, dem Wettbewerb unter Europas besten Radio-, Fernseh- und Webproduktionen. In dieser historischen Reihenfolge.
Während in besagtem Haus des Rundfunks also allüberall Radio- und Fernsehempfänger stehen und sich regen Zuspruchs erfreuen, ist das Internetzeitalter in den hehren Mauern noch nicht so recht angekommen. WLAN gibt's nicht - zumindest laut offizieller Auskunft. Mein handliches Taschen-Web lässt sich als Geigerzähler verwenden, und im zweiten Stock werde ich fündig. Ein Stuhl, mein Notebüchlein auf den Knien, Kamera-Chip zwischen den Zähnen, voilà. Blogging in extremis.
Doch einen Vorteil hat es, dass das Web noch so jung ist: Man kennt sich, selbst an einem solchen Wettbewerb. Ich habe knapp das Haus des Rundfunks betreten, da tönt es laut und vernehmlich: "Viel zu früh, viel zu früh - hallo Thomas!". Am Empfang steht grinsend François Smit, die Seele des Web-Wettbewerbs. Die Welt ist ein Dorf.
A propos grosse Ereignisse: Das Internet heisst im hochtrabenden Jargon des Prix Europa "Emerging Media". Ich bin ab sofort mit "Sir" anzusprechen.
Während in besagtem Haus des Rundfunks also allüberall Radio- und Fernsehempfänger stehen und sich regen Zuspruchs erfreuen, ist das Internetzeitalter in den hehren Mauern noch nicht so recht angekommen. WLAN gibt's nicht - zumindest laut offizieller Auskunft. Mein handliches Taschen-Web lässt sich als Geigerzähler verwenden, und im zweiten Stock werde ich fündig. Ein Stuhl, mein Notebüchlein auf den Knien, Kamera-Chip zwischen den Zähnen, voilà. Blogging in extremis.
Doch einen Vorteil hat es, dass das Web noch so jung ist: Man kennt sich, selbst an einem solchen Wettbewerb. Ich habe knapp das Haus des Rundfunks betreten, da tönt es laut und vernehmlich: "Viel zu früh, viel zu früh - hallo Thomas!". Am Empfang steht grinsend François Smit, die Seele des Web-Wettbewerbs. Die Welt ist ein Dorf.
A propos grosse Ereignisse: Das Internet heisst im hochtrabenden Jargon des Prix Europa "Emerging Media". Ich bin ab sofort mit "Sir" anzusprechen.
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